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Arbeitsrecht: Arbeitnehmerüberlassung – Folgen für die Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiherbetriebe aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP!

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Mit Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) hat dieses festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Spitzenorganisation sei, die in eigenem Namen Tarifverträge abschliessen könne. Sie erfülle die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts wiesen darauf hin, dass Tarifverträge auf Arbeitnehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisationen) abgeschlossen werden könnten. Soll eine Spitzenorganisation selbst als Partei Tarifverträge abschließen, müsse das zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören (§ 2 Abs. 3 TVG). Dazu jedoch müssten die sich zusammenschließenden Gewerkschaften jeweils ihrerseits tariffähig sein und die Spitzenorganisation ihre Tariffähigkeit vollständig vermitteln. Dieses Erfordernis sei dann nicht erfüllt, wenn die Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen durch die Spitzenorganisation lediglich auf einen Teil des Organisationsbereiches der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt werde. Zudem dürfe der Organisationsbereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen. Der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung ginge über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus, so dass die Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Hierzu ist anzumerken, dass in den vergangenen Jahren durch die Einbeziehung entsprechender Tarifverträge und insbesondere durch die Festlegung von deutlich niedrigeren Löhnen aufgrund der Tarifverträge in den jeweiligen Entleihbetrieben es quasi zu einer Umgehung des eigentlich bestehenden „Equal-pay-gebots“ gemäß §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG gekommen ist. Diese Vorschriften sehen vor, dass grundsätzlich der Leiharbeitnehmer die gleichen wesentlichen Arbeitsbedingungen vorfinden soll wie seine Kollegen im Entleihbetrieb. Von diesem Grundsatz können jedoch durch Tarifvertrag oder durch Bezugnahme eines geltenden Tarifvertrages zu Ungunsten des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Diese Ausnahme ist in den letzten Jahren quasi zu einer Regel geworden, so dass oftmals im Entleihgewerbe Niedriglöhne bezahlt wurden.

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Konsequenzen!!!

Die durch eine nicht tariffähige geschlossene Spitzenorganisation geschlossenen Tarifverträge entfalten auf das Arbeitsverhältnis der jeweils betroffenen Leiharbeitnehmer keine Wirkung, anstelle dessen steht den Leiharbeitnehmern ein Anspruch auf Gewährung der wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im Entleihbetrieb die Stammbelegschaft erhält, zu, dies betrifft auch das Arbeitsentgelt (Vgl. hierzu §§ 10 Abs. 4, 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Insofern dürften sich die Entleihbetriebe einer Flut von Lohnzahlungsklagen ausgesetzt sehen. In den Einzelfällen ist natürlich zu fragen, ob die Forderungen insofern begrenzt sind, als dass selbstverständlich Verjährungs- aber auch ggfs. Ausschlussfristen zu beachten sind.

Sofern Ausschlussfristen nicht nochmal in einem gesonderten Arbeitsvertrag explizit aufgenommen sind, dürften die lediglich im Tarifvertrag enthaltenden Ausschlussfristen keine Wirkung zeigen. Der Tarifvertrag ist von vornherien und nicht erst ab Entscheidung NICHTIG!!! (vgl. BAG – Urteil vom 15.11.2006 – 10 AZR 665/05 in NZA 2007, 448). Insofern mag in Einzelfällen es berechtigt sein, tatsächlich bis zu drei Jahre den entgangenen Lohn einzuklagen.

Ob man ggfs. argumentativ sagen kann, dass der eigentliche Anspruch auf „Equal-pay“ erst nach der entsprechenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und somit erst zum 14.12.2010 fällig geworden ist, und somit erst ab diesem Datum die Ausschlussfristen beginnen sollen, vermag diesseits noch nicht abgeschätzt werden. Aufgrund des Umstandes, dass auch bei nachträglich festgestellter Unwirksamkeit von arbeitsvertraglichen Klauseln letztlich die Ausschlussfristen, so diese dann wirksam vereinbart worden sind, immer zu beachten sind, vermag diesseits diese Sichtweise nicht zu überzeugen.

Bei der Geltendmachung der Differenzlohnansprüche sollten in jedem Fall die Arbeitnehmer diese zunächst schriftlich gegenüber den Entleihbetrieben geltend machen. Sollten diese die Nachzahlung ablehnen, müsste sodann arbeitsgerichtlich geklagt werden.

Sofern dem Leiharbeitnehmer die konkreten Tatsachen fehlen, kann dieser gemäß § 13 AÜG gegenüber dem Entleiher verlangen, dass dieser ihm Auskünfte über die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses seiner entsprechenden Kollegen im Entleihbetrieb erteilt. Dies wäre ggfs. einklagbar. Entgegenstehende Klauseln in den nichtigen Tarifverträgen sind unbeachtlich. Die Entleihfirmen sind zur Auskunft verpflichtet.

Kommt der Entleihbetrieb seinen Auskunftspflichten nicht nach, macht dieser sich ggfs. schadensersatzpflichtig.

Die Leiharbeitnehmer, auf die diese Voraussetzungen zutreffen und die in ihren Verträgen eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag der CGZP bzw. des Manteltarifvertrages des AMP enthalten haben, sollten insofern alsbald einen Arbeitsrechtler konsultieren, um ihre Forderungen durchzusetzen und überprüfen zu lassen.

Für die Entleihbetriebe kann dies unter Umständen dafür sorgen, dass diese die erheblichen Nachforderungen nicht auf einmal werden begleichen können, so dass hier sogar Insolvenzereignisse drohen. Dies gilt umso mehr, als dass die Verleiher verpflichtet sind, die Differenzbeträge noch bis zu vier Jahre nachträglich entsprechend zu versteuern bzw. entsprechende Sozialabgaben und Beiträge zur Unfallversicherung zu entrichten. Diese Verpflichtung besteht zudem unabhängig von dem Umstand, ob die einzelnen Leiharbeiter diesen höheren Lohn einfordern oder nicht. Ferner stehen dem Entleihbetrieb Ausschlussfristen hier leider nicht hilfreich zur Seite.

Insofern bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Fazit:

Leihbetriebe müssen dringend Rückstellungen bilden, was ggfs. in noch nicht abgeschlossenen Jahresabschlüssen nachholbar ist. Für Leiharbeitnehmer gilt hingegen, dass diese schnellstmöglich anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen  sollten, um ihre rechtlichen Interessen nicht verfallen zu lassen.

Karsten Klug
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht


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